«Mit Förderprogrammen bereiten wir Lehrpersonen und Kinder auf die technologische Welt von morgen vor»
13.12.2022
Für diese Ausgabe haben wir uns mit Lilian Ladner, Leiterin der MINT-Fachstelle der PH Graubünden , ausgetauscht. Im Interview erzählt sie uns wie die Fachstelle MINT Kindern und Jugendlichen informatische Grundkompetenzen näher bringt und wie technikaffin Bündner Lehrpersonen sind.
Wie kam die MINT-Fachstelle zu Stande?
«Seit 2010 engagiert sich die PH Graubünden in der MINT-Förderung. Im Jahre 2021 wurde dann die Fachstelle MINT installiert. Es werden angehende und erfahrene Lehrpersonen in den Themengebieten Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik aus- und weitergebildet. Mit dem neuen Lehrplan21 haben diese Fächer eine verbindliche Verankerung im Unterricht erhalten. Unser Ziel ist es Kinder und Jugendliche auf die hochtechnologisierte Welt von morgen vorzubereiten.»
Wie wollt ihr Kinder und Lehrpersonen auf die Welt von morgen konkret vorbereiten?
«Wir setzen MINT-Förderprogramme um, welche unter anderem in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden. Dazu gehört beispielsweise die kostenlose Bündner MINT-Woche, welche wir gemeinsam mit unseren acht Bündner Partnerfirmen organisieren. Wir bereiten angehende Lehrkräfte auf diese Wochen vor und entwickeln gemeinsam problemorientierte Aufgabenstellungen aus der Lebenswelt der Kinder mit Bezug zum einzelnen Betrieb. Damit sorgen wir für einen Win-Win-Effekt: Einerseits begeistern wir Schülerinnen und Schüler für MINT-Inhalte und andererseits erwerben die angehenden und erfahrenen Lehrpersonen fachliches, fachdidaktisches und pädagogisches Wissen. Da die Lernenden der beteiligten Unternehmen mit den Studierenden der PH Graubünden und den Kindern arbeiten, profitieren diese wiederum vom Rollenwechsel.»
Wie muss man sich so eine MINT-Woche vorstellen?
«Diese Wochen bieten ganz viele Hands-on-Erfahrungen und sind sowohl für angehende Lehrpersonen als auch für Schulkinder sehr prägend – das Umfeld in einer Firma hebt sich vom Schulbetrieb ab. Bei der Firma Trumpf Schweiz AG geht es beispielsweise darum einen Lastwagen zu bauen, von der Idee bis zum Produkt. Von 9 bis 16 Uhr sind wir jeweils im Betrieb am Arbeiten. Wir fräsen, hämmern, bohren, programmieren und machen viele neue Erfahrungen. Am Ende der Woche werden die Produkte den Eltern präsentiert. Auch zwischenmenschlich passiert in so einer Woche sehr viel, denn die Kinder kriegen mit, wie es in einer Firma zu und her geht. Es ist eine sehr befriedigende Arbeit. Freitagabend sind jeweils alle total k.o. von den vielen Eindrücken, aber auch total zufrieden. Alle gehen gestärkt nach Hause.»
Wie gross schätzt ihr das Potenzial für solche Praxiswochen ein?
«Sehr gross. Die ausserschulischen Projekte sind jeweils in rund 5 Minuten ausgebucht. Das Interesse ist daher vorhanden und irgendwann übersteigt das MINT-Programm unsere Kapazitäten bzw. unsere personellen Ressourcen. Allein in diesem Jahr waren 37 Studierende involviert. Aktuell verfolgen wir das neue Projekt «Netzwerk Schule 4.0». Damit können wir die Schulen 1:1 in die Bündner MINT-Woche und andere MINT-Förderprogramme miteinbeziehen und das Projekt auf den gesamten Kanton ausweiten. Das Ziel ist, pro Schulstandort eine Lehrperson in diesem Bereich weiterzubilden, sodass die Schulen eine Bündner MINT-Woche (oder andere Förderprogramme) selbständig mit einem Betrieb vor Ort umsetzen können.»
Wie technikaffin sind Bündner Lehrerinnen und Lehrer?
«Wie in allen Fächern ist es wichtig, dass eine Lehrperson offen ist und sich auf eine Thematik einlässt. Eine solches MINT-Förderprogramm baut Hemmschwellen ab und zeigt konkrete Aufgabenstellungen auf. Die angehenden Lehrpersonen bringen meist recht viel Vorwissen mit, da viele von ihnen bereits eine Ausbildung absolviert haben und MINT-Kompetenzen braucht es ja in jedem Beruf. Unsere Aufgabe ist es, die Lehrpersonen zu stärken und sie bestmöglich zu unterstützen. Dies gelingt uns anhand von konkreten und problemorientierten Aufgabenstellungen aus der Lebenswelt der Kinder.»
Wie stark werden Trends in eurem Angebot berücksichtigt?
«Selbstverständlich verfolgt das MINT-Team der PH Graubünden die technologischen Entwicklungen und holt sich die entsprechenden Informationen. Wenn ein MINT-Inhalt aktuell wird und ein LP21-Bezug besteht, wägen wir ab, inwiefern wir diesen Inhalt fächerintegriert unterrichten können und entwickeln je nach Situation ein entsprechendes Unterrichtsszenario. Aktuell ist in unserer MINTfabbrica der 3D-Druck sehr aktuell. Wir bilden die angehenden und erfahrenen Lehrpersonen in diesem Bereich aus sowie weiter und leihen die 3D-Drucker den Schulen auch aus.»
Wie haben sich die MINT-Fächer über die Jahre gewandelt?
«Im Jahr 2008 sind wir mit dem weltweiten Robotikwettbewerb «First Lego League» gestartet, ein Thema, das immer noch aktuell ist und wir in diesem Jahr zum 15ten Mal durchführen konnten. Was sich verändert hat, ist wie Lehrpersonen die Themen vermitteln, wie wir die Lernumgebungen gestalten und wie wir didaktisch vorgehen. Die stufengerechte Vermittlung der MINT-Inhalte ist eines unserer zentralen Inhalte in der Fachstelle MINT.»
Über die MINT-Fachstelle
Mit der MINT-Förderung setzt sich die PH Graubünden zum Ziel, dass angehende wie auch erfahrene Lehrpersonen die neuen Technologien kennen lernen, diese anwenden und im Unterricht einsetzen können. Die Lehrpersonen werden für MINT-Inhalte begeistert und befähigt, diese Kompetenzen bei ihren Schülerinnen und Schülern wirksam zu fördern.
Das MINTzentrum der PH Graubünden auf einen Blick:
- MINTfabbrica: Von der Idee zum Produkt
- MINTfocus: Vortragsreihen zu MINT-Themen
- MINTmobil: Mobil in die Regionen in und um Graubünden zur Weiterbildung von Lehrpersonen und Ausbildung von Schülerinnen und Schülern
- Bündner MINT-Woche (MINT-CAMPs GR): So funktioniert eine Firma. Schülerinnen und Schüler erschliessen hautnah während einer Woche Aspekte der Arbeitswelt
- i-CAMPs GR Kids und Teacher: Problemorientierte Aufgabenstellungen rund um die Robotik und Algorithmen konzentriert in einer Woche
- First Lego League: Sich mit den i-Girls, den Fluffys oder den „Sapphire“ messen. Vorbereitung und Teilnahme am weltweiten Robotikwettbewerb
- Roberta Regio Zentrum: Für Mädchen – na klar! Gendergerechte Lernumgebungen mit Robotern
Zur Person Lilian Ladner:
«Die digitale Transformation betrifft alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft. Die Aufgabe der Bildung ist es, Kinder und Jugendliche auf die Gesellschaft von morgen vorzubereiten. Darum engagiere ich mich seit nun zwölf Jahren in der MINT-Förderung im Kanton Graubünden. Mir ist es ein Anliegen, dass angehende wie auch erfahrene Lehrpersonen die neuen Technologien kennen, anwenden und im Unterricht einsetzen können. Mit ihrer wertvollen Arbeit schaffen die Lehrpersonen die Basis, damit die Generation von morgen die Kulturtechniken erlernt und diese verantwortungsbewusst einsetzen kann. Ich stehe dafür ein, dass wir die problemorientierte Aufgabe aus der Lebenswelt der Kinder & Jugendlichen ins Zentrum stellen und dabei die Technik mit der Kooperation, der Kommunikation, der Kreativität und dem kritischen Denken verbinden.»