«Wer nicht digitalisiert, riskiert unternehmerische Freiheiten aus der Hand zu geben»
03.10.2022
Im Interview beantwortet Kristian Paasila, Gründer des touristischen Software-Unternehmens «inside Labs» Fragen zur Digitalisierung im Bündner Tourismus und was er von Offline-Ferien hält.
Bist du der Typ für Offline-Ferien?
«Jein (lacht). Ich war es lange nicht aber in letzter Zeit habe ich mich mehr darum bemüht. Und habe das dann auch sehr genossen. Es ging sogar so weit, dass ich im Februar in den Ferien mein Handy eine ganze Woche nicht nutzte. Was gar nicht so einfach war wegen all der Tools (z.B. Google Maps), die man für die Planung doch braucht. Darum habe ich mir dann pro Tag eine Stunde für die Planung genehmigt.»
Offline sein – ist das in einer digitalen Destination überhaupt noch möglich?
«Auf jeden Fall. Man will ja meist auch nicht komplett offline sein, oder deshalb Mehrwaufwand in den Ferien haben. Ich denke eine gute Digitalisierung geht dir im Ferienerlebnis aus dem Weg. Sie hilft dir mühselige Dinge zu erledigenund mühsame analoge Prozesse abzulösen und Services, die meinem Bedürfnis entsprechen, einfacher zu erhalten. Das sind Mehrwerte, auf die will ich als Gast nicht verzichten. Beispielsweise das lange Warten an der Reception, um die administrativen Aufgaben beim Check-in zu erledigen, kann man im Vorfeld mit digitalen Hilfsmitteln ganz einfach abwickeln.»
Was macht aus deiner Sicht ein gutes Kunden-/Gästeerlebnis aus?
«Ein gutes Erlebnis baut auf Convenience auf. Man versucht mühsame Prozesse zu erleichtern. Nehmen wir das Beispiel Skifahren. Dort hat man diverse Pain Points beim Anstehen für den Ticketkauf, beim Anstehen im Selbstbedienungsrestaurant und bei der anschliessenden Sitzplatzsuche. Dies sind Stressfaktoren, die wir mit Digitalisierung gut beseitigen können, beispielsweise mit online Ticketkauf, Tischreservation und Essensbestellung über eine App. Der zweite Faktor ist die Kommunikation, die wir viel zielgerichteter steuern können, damit sie zum Kundenprofil und dem Bedürfnis passen.»
Wieso ist Digitalisierung gerade im Tourismus so wichtig?
«Langfristig will man im Tourismus mit Kunden eine gute Beziehung aufzubauen. Eine gute Digitalisierung, von dem, was digitalisiert werden kann, ist ein genauso grundlegendes Bedürfnis wie ein gutes Housekeeping und gut präparierte Skipisten. Nur so schaffen wir ein gelungenes Gästeerlebnis. Und die Erfahrung zeigt: Wenn wir das als Destinationen oder Leistungsträger nicht selbst machen, macht dies jemand anderes. So erging es beispielsweise der Hotellerie, die auf andere Firmen wie Booking.com angewiesen ist, um ihr Produkt beim Kunden zu platzieren. So gibt sie unternehmerische Freiheiten aus der Hand und macht sich abhängig von externen Plattformen. Hinzu kommt, dass wir es uns aus dem Alltag her gewohnt sind gute digitale Journeys zu haben. Wieso sollte der Gast dieses Level nicht auch in seinen Ferien erwarten?»
Wie sieht es mit der Digitalisierung im Bündner Tourismus aus?
«Gute Frage :).Viele haben erkannt, dass die aktuelle digitale Palette an Services und Dienstleistungen noch nicht breit und einfach zugänglich genug ist. Das hat auch mit den Strukturen im Bündner Tourismus zu tun, mit meist einer starken Bergbahn und einer Tourismusdestination mit Buchungsplattform. Zukünftig wird man näher zusammenarbeiten müssen, um das Gästeerlebnis – online wie offline – so durchgängig wie möglich zu machen. Das bedingt neue Strukturen, Rollen und Aufgaben. Denn man darf nicht vergessen: Die Digitalisierung beinhaltet nicht nur Technologie, sondern es bedingt auch die richtigen Voraussetzungen und Prozesse zu schaffen. Grundsätzlich denke ich sind wir auf einem guten Weg. Wir haben aber noch viel Arbeit vor uns.»
Ihr seid auf digitale Plattformen spezialisiert. Was sind die grössten Herausforderungen, wenn es darum geht solche Plattform zu bauen?
«Phu, da gibt es ein paar. Unsere Kernaufgabe ist es verschiedene Services und Systeme in eine Plattform zu integrieren, damit die Customer Journey einer Destination digitalisiert werden kann. Hier treffen wir teilweise auf sehr alte Systeme mit wenig Möglichkeiten für Schnittstellen, was uns vor technische Herausforderungen stellt. Zudem ist eine Destination sehr komplex mit vielen verschiedenen Anspruchsgruppen. Diese Heterogenität so auf eine Linie zu bringen, dass die Journey wie aus einem Guss erscheint, ist ebenfalls sehr herausfordernd. Und wie für alle Software-Unternehmen ist es auch für uns schwierig Fachpersonen zu finden. Wir machen uns unseren alpinen Standort in Flims aber zum Vorteil. Wer möchte nicht mal in einer Feriendestination leben?»
Geht mit einer Plattform-Lösung für alle nicht auch etwas Individualität verloren?
«Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass Digitalisierung ein Alleinstellungsmerkmal ist. Das ist sie nicht. Wir alle werden früher oder später auf Plattformlösungen angewiesen sein, um unsere Kundenbeziehungen und Daten zu verwalten sowie auch Vertriebsaktivitäten und Kommunikation zu betreiben. Alles andere ist sowohl finanziell als auch personell irgendwann nicht mehr tragbar. Mit Plattformlösungen schaffen wir im Tourismus eine zugängliche Produktpalette und zukunftsträchtige Kommunikation mit dem Gast. Bei einer guten Plattform geht Individualität auch nicht verloren – denn wie man die Technologie nutzt bietet viel Freiheit und potential sich zu differenzieren. Zusätzlich vermeiden wir, dass teure individuelle Lösungen gebaut werden. Man muss das Rad ja nicht jedes Mal neu erfinden.»
Über Kristian und «Inside labs»
Kristian ist Brainstormer und Unternehmer aus Leidenschaft. Er ist Mitgründer und Verwaltungsratspräsident von inside labs AG. Menschliche Erlebnissen und technologische Innovation faszinieren ihn. Trotz finnischen Wurzeln ist er in den Schweizer Alpen zu Hause.