Digitale Trends

«Das Spannungsfeld zwischen langlebigem Wald und kurzlebigen Technologien ist sehr gross»

Von Michèle Ullmann

16.11.2022

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In dieser Ausgabe beantwortet Umweltwissenschaftler Gian Barandun Fragen zur digitalen Transformation in der Land- und Waldwirtschaft und zeigt auf wie auch in sehr analogen Themen Schnittstellen gefunden werden können.

 

Wo siehst du das grösste Potenzial für digitale Lösungen im Bereich Land- und Forstwirtschaft?

«Die Bündner Land- und Waldwirtschaft ist bereits in einigen Bereichen digital unterwegs, gerade im Vergleich zu anderen Kantonen. So bestehen für viele Einsatzbereiche digitale Karten- und Datengrundlagen. Aber auch das Arbeiten beispielsweise direkt im Wald hat sich durch die Mechanisierung und Digitalisierung stark weiterentwickelt. Nehmen wir nur schon die Holzernte. Früher gingen Forstarbeitende in den Wald und schlugen den Baum. Heute kann dies eine Maschine übernehmen. Sie packt den Baum, rüstet diesen auf, vermisst ihn und sortiert ihn nach Holzsortimenten. Diese Daten werden mittels Lokalisierung des Standorts gespeichert und an ein Transportunternehmen übermittelt. Das Transportunternehmen kann das geschlagene Holz direkt ohne weiteren administrativen Aufwand am entsprechenden Ort abholen. Im Weiteren kann die Verrechnung sowie Verbuchung des geschlagenen Holzes direkt digital erfolgen. Der Holzverkaufsprozess wird dadurch effizienter und wirtschaftlicher gestaltet. In der Einführung weiterer derartiger Prozesse (z.B. mit Standort- und weiteren Messdaten) sehe ich über die Forstbranche hinaus grosses Potenzial für die Digitalisierung.»

Wo siehst du Herausforderungen in der Umsetzung, beispielsweise von künstlicher Intelligenz?

«Wir reden hier von hochkomplexen Themen, die für viele Personen in der Praxis nur schwer fassbar sind. Daher benötigt es meiner Meinung nach in diesen Bereichen Personen mit entsprechendem Knowhow, damit digitale Anliegen erkannt und vorangetrieben werden können. Und das ist je nach Zielgruppe in den unterschiedlichen Umweltbereichen gar nicht so einfach. Nehmen wir das Beispiel der Imker. Das Gros der Zielgruppe ist über 60 Jahre alt und gegenüber digitalen Themen wahrscheinlich weniger affin. Ich denke gerade in solchen Bereichen könnte man mit wenig Effort so einiges herausholen.»

Gehen die zuständigen Ämter digitale Innovationen aktiv an?

«Die Ämter sind offen für (neue) digitale Lösungen und zeigen sich interessiert. Aber beispielsweise im Wald reden wir von sehr unterschiedlichen Lebenszyklen mit Wirkungszeiträumen von mehreren Jahrzehnten und dazu noch abhängig vom jeweiligen Standort. Dieser kann gerade im Alpenkanton Graubünden sehr unterschiedlich ausfallen. Digitale Technologien sind sehr schnelllebig und oft nach wenigen Jahren bereits veraltet und überholt. Fachleute, die in langlebigen Ökosystemen mit erfahrungsbasierten Werten arbeiten, sind aufgrund dieser Diskrepanz oft auch skeptisch gegenüber neuen digitalen Lösungen. Eine aktive Förderung digitaler Innovationen durch die Ämter ist mir nicht bekannt.»

Die Waldwirtschaft ist also ein Bereich, der sich über die Zeit kaum geändert hat?

«Im Grundsatz nicht, jedoch ändern sich die Ansprüche ans System laufend. Nebst der beispielsweise wichtigen Schutzfunktion des Waldes, sind aktuell Energie- und Bauholz zentrale Themen. Hinzu kommen sich ändernde klimatische Bedingungen, die den Wald beeinflussen. Digitale Hilfsmittel (bspw. Drohnen- und Satellitenbilder, Messvorrichtungen, Smartphones, etc.) können gerade in dieser Situation unterstützen diese Einflüsse zu dokumentieren und besser zu verstehen.»

Du bist im Fachrat von GRdigital dabei. Was ist deine Motivation?

«Ich interessiere mich sehr für digitale Anliegen. Ich bin nicht gerade der Fachmann für Hardware, aber für den Einsatz neuer technischer Geräte und Software begeisterte ich mich schon immer. Bei meiner Tätigkeit fürs Amt für Landwirtschaft und Geoinformation konnte ich viele analoge Prozesse digital abbilden. Gerne würde ich eine aktive Rolle als Brückenbauer zwischen analoger Praxis und Digitalisierung einnehmen.»

Über Gian Barandun

Gian Barandun arbeitet im Planungs- und Beratungsbetrieb BAP Ingenieure AG in Summaprada als Forstingenieur. Kernkompetenzen des Büros sind Grundlagenerhebungen im und am Wald, Naturgefahren- und Strassenbauprojekte, Umweltbaubegleitungen und Forstbetriebsabrechnungen sowie Beratungen. Infolge seiner vorgängigen Tätigkeit am Amt für Landwirtschaft und Geoinformation, seiner Ausbildung als Umweltnaturwissenschaftler an der ETH Zürich und seinen Hobbies Jagd, Imkerei und Sport interessiert er sich für das Zusammenspiel zwischen Gesellschaft, Natur und Wirtschaft allgemein und speziell im Kanton Graubünden.

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